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Name:0220/2017  
Art:Beschlussvorlage  
Datum:13.06.2017  
Betreff:Vorstellung der Evaluation des Verfahrens „Familienrat“
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Beschlussvorschlag:

 

Der Jugendhilfeausschuss empfiehlt

Die Regionalversammlung beschließt

 

Die Verstetigung des Pilotprojektes Familienrates nach Ablauf der zweijährigen Pilotphase (01.07.2015 – 30.06.2017) mit der erforderlichen Personalisierung einer Vollzeitstelle.

 


Sachverhalt:

 

1. Pilotprojekt Familienrat

 

Das Verfahren Familienrat als wurde als Pilotprojekt im Regionalverband Saarbrücken mit einer Laufzeit von zwei Jahren ab 01.07.2015 als Angebot des Jugendamtes eingeführt. Das Verfahren kommt ursprünglich aus Neuseeland; dort ist es als „family group conference“ seit 1989 gesetzlich verankert, um Familien und ihre Netzwerke rechtzeitig in das Hilfesystem des Kinderschutzes einzubinden, d.h. dass jede Familie in Neuseeland das Recht hat in einer Gefährdungssituation und/oder einer drohenden Herausnahme der Kinder einen Familienrat zu beantragen. Die Umsetzung des Verfahrens in Saarbrücken folgt vor allem den Erfahrungen des Jugendamtes Berlin-Mitte und anderen Jugendämtern der Bundesrepublik, die bereits positive Effekte der sozialräumlichen Partizipation durch das Verfahren Familienrat erzielen konnten. Das Verfahren Familienrat ist als Prozess der Entscheidungsfindung zu sehen, der auf einen gemeinsamen großen Beratungstermin der Familie mit ihren Unterstützern im Sozialraum hinarbeitet.

 

 

Durch den Sonderdienst Familienrat mit flexiblen Arbeitszeiten, als Bestandteil des Sozialen Dienstes des Jugendamtes Saarbrücken, ist eine große Anpassung an die Bedürfnisse der betroffenen Familien möglich, die es so bisher in Deutschland noch nicht gegeben hat. Die Räte finden vor allem dann statt, wenn die betroffenen Familien Zeit haben, also weitestgehend abends und an Wochenenden.

 

Unsere Erfahrung zeigt, dass der Familienrat als partizipative und aktivierende Sozialarbeit im Sozialraum unbekannte Ressourcen freilegen kann und Familien und ihre Netzwerke Verantwortung für das Zusammenleben mit ihren Kindern übernehmen. Als Alternative zur Abwendung von Problemsituationen trägt der Familienrat dazu bei erforderliche Hilfen im Sozialraum zu verorten. [1]

 

2. Evaluation

 

Die Evaluation des Pilotprojektes beinhaltet die statistische Erfassung und eine qualitative Auswertung, die wissenschaftlich im Rahmen eines Masterstudienganges – Sozialraumentwicklung der Hochschule Rhein-Main durch Prof. Dr. May begleitet wurde.

 

2.1 Statistik (01.07.2015 – 30.03.2017):

 

  • 79 Anfragen, davon bisher 15 Räte durchgeführt; von 22 Familien keinen Familienrat gewünscht
  • Gründe der Anfragen: Probleme des Kindes, Rückführung in die Familie, materielle Probleme, Haushalt, Erziehungskompetenz
  • Alter der Kinder: von 0 bis über 18 Jahre
  • Vorgeschichte im Jugendamt bei den 15 durchgeführten Räten: 87 %
  • Prognose des Sozialen Dienstes ohne Familienrat: für alle 15 Familien HzE (23 Kinder)
  • Eingeleitete Hilfen nach Familienrat: HzE für 11 Kinder

 

2.2 Qualitative Erhebung – responsive Evaluation

 

  • 10 Interviews mit Nutzern und Professionellen. Hauptthemen: Verfahren ist verortet zwischen Eigenverantwortung und Verantwortung der Familien; zwischen Kontrolle und Unterstützung hierdurch entstehen neue Spannungsfelder
  • Die Ergebnisse der Interviews wurden im Rahmen einer Evaluationsdiskussion mit den Beteiligten diskutiert:

§  Standortgebundenheit: Jede/r Akteur/in schaut durch seine „Brille“, diese Sicht ist wiederum Ergebnis komplexer Entwicklungen (biografisch, rollenspezifisch, örtlich etc.).

§  Spannungsfelder erzeugen neue Aushandlungsprozesse 

§  Wächteramt durchzieht alle Prozesse

§  Ressourcen sind wesentliche Grundlage der Aushandlungsprozesse

 


Die Ergebnisse der Evaluation Familienrat werden in der Sitzung im Rahmen einer Präsentation durch Prof. Dr. May und Jugendamtsmitarbeiterin Frau Christina Cazzini ausführlicher vorgestellt.



[1] Quelle: In Anlehnung an den Sozialbericht 2016 – Regionalverband Saarbrücken 2016