Bezeichnung | Inhalt | Bezeichnung | Inhalt |
---|---|---|---|
Name: | 0083/2022 | ||
Art: | Beschlussvorlage | ||
Datum: | 25.02.2022 | ||
Betreff: | Erweiterung der kommunalen Verfassungsbeschwerde gegen den Aufgabenzugriff des Bundes auf die Kommunen im SGB XII, hier: zum 10.06.2021 im Rahmen des Teilhabestärkungsgesetzes in Kraft getretene Regelungen der §§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. g und h,Abs. 2 Nr. 3 und 4, 64j und 64k SGB XII i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 SGB XII |
Dokumenttyp | Bezeichnung | Aktionen |
---|---|---|
Vorlage 444 KB |
Beschlussvorschlag:
Der Regionalverbandsausschuss empfiehlt,
Die Regionalversammlung beschließt,
den
mit Beschluss der Regionalversammlung vom 27.05.2021 an den Regionalverbandsdirektor erteilten
Auftrag dahingehend zu erweitern, dass
auch gegen die im Rahmen des Teilhabestärkungsgesetzes[1] zum 10.06.2021 in Kraft getretenen
Regelungen der §§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. g und h, Abs. 2 Nr. 3 und 4, 64j
und 64k SGB XII i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 SGB XII eine kommunale
Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, §
13 Nr. 8a BVerfGG) erhoben wird. Die mit dem Deutschen Landkreistag
abzuschließende Vereinbarung zur (für den Regionalverband Saarbrücken
kostenfreien) Durchführung des Verfahrens durch den Deutschen Landkreistag ist
entsprechend zu ergänzen.
Sachverhalt:
Mit Beschluss vom 27.05.2021 (Anlage)
hat die Regionalversammlung den
Regionalverbandsdirektor beauftragt,
gegen die im Rahmen des Sozialschutz-Pakets III zum 01.04.2021 in Kraft
getretene Regelung des § 144 SGB XII eine kommunale Verfassungsbeschwerde zum
Bundesverfassungsgericht (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 13 Nr. 8a BVerfGG) zu
erheben und zur (für den Regionalverband Saarbrücken kostenfreien) Durchführung
des Verfahrens durch den Deutschen Landkreistag eine entsprechende Vereinbarung
mit diesem abzuschließen.
Mit Geltung ab 10.06.2021 sind (als Art. 1
Nr. 11 und 12 des (Bundes-)Gesetzes zur
Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sowie zur
landesrechtlichen Bestimmung der Träger von Leistungen für Bildung und Teilhabe
in der Sozialhilfe (Teilhabestärkungsgesetz – TeilhStG) - zum abweichenden Inkrafttreten siehe Art.
14 Abs. 2) die neu eingefügten
Regelungen der §§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. g und h, Abs. 2 Nr. 3 und 4, 64j
und 64k SGB XII in Kraft getreten.
Danach haben Pflegebedürftige Anspruch auf
eine notwendige Versorgung mit Anwendungen, die wesentlich auf digitalen
Technologien beruhen, die von den Pflegebedürftigen, Angehörigen oder
zugelassenen ambulanten Pflegeeinrichtungen genutzt werden, um insbesondere
Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten des
Pflegebedürftigen zu mindern und einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit
entgegenzuwirken (digitale Pflegeanwendungen).
Der Anspruch umfasst nur solche digitalen
Pflegeanwendungen, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
in das Verzeichnis für digitale Pflegeanwendungen nach § 78a Abs. 3 SGB XI
aufgenommen wurden.
Bei Nutzung dieser digitalen
Pflegeanwendungen haben Pflegbedürftige nach § 64k SGB XII Anspruch auf
erforderliche ergänzende Unterstützungsleistungen, die das Bundesinstitut für
Arzneimittel und Medizinprodukte nach § 78a Abs. 5 Satz 6 SGB XI festgelegt
hat, durch nach dem Recht des SGB XI zugelassene ambulante Pflegeeinrichtungen.
Der Deutsche Landkreistag sieht in der
Regelung der §§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. g und h, Abs. 2 Nr. 3 und 4, 64j
und 64k SGB XII in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Satz 1 SGB X, der die
Zuständigkeit der kreisfreien Städte und der Kreise als örtliche Träger der
Sozialhilfe festlegt, (wie im Falle des § 144 SGB XII) einen unzulässigen
Aufgabendurchgriff des Bundes.
In Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG und parallel dazu
in Art. 85 Abs. 1 S. 2 GG ist bestimmt:
„Durch Bundesgesetz dürfen
Gemeinden und Gemeindeverbänden Aufgaben nicht übertragen werden.“
Der Deutsche Landkreistag verweist hierzu
auf die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.07.2020 (2
BvR 696/12), die die Regelungen der Bedarfe für Bildung und Teilhabe im SGB XII
in Verbindung mit der Bestimmung der Landkreise und kreisfreien Städte zu
Sozialhilfeträgern in § 3 Abs. 2 SGB XII ganz überwiegend für unvereinbar mit
dem Grundgesetz erklärt hat. In der Entscheidung ist ausgeführt:
„Der Sache nach sichert Art. 84
Abs. 1 S. 7 GG die Anwendbarkeit der landes-verfassungsrechtlichen
Konnexitätsregelungen auch bei der Vollziehung von Bundesgesetzen durch die
Kommunen und schützt auf diese Weise zugleich die Selbstverwaltungsgarantie
des Art. 28 Abs. 2 GG schlechthin.“
Im Ergebnis wurde mit der Entscheidung
klargestellt, dass es bei einer materiell-rechtlichen Regelung des Bundes
zwingend der Aufgabenzuweisung durch den Landesgesetzgeber bedarf. Dies gilt
für neue Aufgaben ebenso wie für die funktional äquivalente Erweiterung einer
bundesgesetzlich bereits zugewiesenen Aufgabe.
Prof. Dr. Henneke betont, dass es sich um
eine grundlegend wichtige Frage für alle
Landkreise und Städte handelt.
Auf Anfrage des Deutschen Landkreistages
(-der selbst nicht Beschwerdeführer der kommunalen Verfassungsbeschwerde sein
kann-) hat sich die Regionalversammlung mit dem Beschluss vom 27.05.2021
dahingehend erklärt, dass der Regionalverband Saarbrücken als Beschwerdeführer
für die Kommunalverfassungsbeschwerde zur Verfügung steht, und hat den
Regionalverbandsdirektor mit der Erhebung der kommunalen Verfassungsbeschwerde
in Bezug auf die Regelung des § 144 SGB XII beauftragt.
Im Hinblick auf die rechtlich vergleichbare
Situation soll die Kommunalverfassungs-beschwerde auf die (erst nach der
Beschlussfassung vom 27.05.2021 in Kraft getretenen) Regelungen der §§ 63 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 lit. g und h, Abs. 2 Nr. 3 und 4, 64j und 64k SGB XII erstreckt
werden. Der Auftrag an den Regionalverbandsdirektor ist entsprechend
auszuweiten.
Die Vereinbarung über die Prozessvertretung und die (für den Regionalverband Saarbrücken kostenfreie) Durchführung des Verfahrens durch den Deutschen Landkreistag, hier: in Person des Herrn Prof. Dr. Hans-Günter Henneke, bezüglich der Kommunalverfassungsbeschwerde zum Sozialschutz-Paket III ist entsprechend zu erweitern.
[1] Gesetz zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sowie zur landesrechtlichen Bestimmung der Träger von Leistungen für Bildung und Teilhabe in der Sozialhilfe (Teilhabestärkungsgesetz – TeilhStG vom 02.06.2021, BGBl. I S. 1387 (Nr. 29)