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Name: | 0356/2016 | ||
Art: | Beschlussvorlage | ||
Datum: | 26.10.2016 | ||
Betreff: | Einrichtung von Infrastrukturangeboten zur Gewährleistung von Teilhabe an acht Schulen im Regionalverband Saarbrücken zum 01.02.2017 |
Beschlussvorschlag:
Der Jugendhilfeausschuss empfiehlt/
Die Regionalversammlung beschließt
- den Abschluss von acht Kooperationsverträgen mit den Trägern JHZ-S, AWO, MLL, Lebenshilfe Saarbrücken, Lebenshilfe Sulzbachtal-Fischbachtal, ASB und
- den Abschluss von acht Begleitvereinbarungen mit den o.g. Trägern und dem Ministerium für Bildung und Kultur
über die Einrichtung von Infrastrukturangeboten an acht Schulen im Regionalverband Saarbrücken zum 01.02.2017.
Sachverhalt:
Vorbemerkung:
Das Verhältnis von Schule und Jugendhilfe ist geprägt von einer Vielzahl
von Kooperationen mit Angeboten der Jugendhilfe:
-
Therapeutische
Schülerhilfen im Einzelfall,
-
Therapeutische
Schülergruppen (TSG),
-
Schulpsychologischer
Dienst,
-
Schulsozialarbeit,
-
Integrationshilfen,
-
pädagogische
Angebote in offenen und gebundenen Ganztagsschulen,
-
Nachmittagsbetreuungen
etc.
Der Regionalverband hat im letzten Jahr für diese Angebote insgesamt ca.
8 Mio. € verausgabt bzw. investiert.
Diese Kooperationen dienen letztlich dem Ziel, Schule als Lern- und
Lebensort mit zu gestalten und damit Bildungsteilhabe und soziale Integration
zu ermöglichen.
Ausgangslage:
Der Regionalverband Saarbrücken leistet derzeit in rund 240 Fällen Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche in Form von schulischen Einzelintegrationshilfen. Im § 35a Abs. 3 SGB VIII wird bzgl. Aufgaben und Zielen der Hilfe und Art der Leistungen auf § 54 SGB XII verwiesen. Im dortigen Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ist die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung als Leistung der Eingliederungshilfe explizit benannt.
Dem kontinuierlich steigenden Ausgabevolumen für dieses Hilfesegment wurde mit einem Haushaltsansatz für das Jahr 2016 in Höhe von 3,3 Mio. € Rechnung getragen. Damit haben sich seit 2004 für den Regionalverband die Fallzahlen um den Faktor 20, die Kosten um den Faktor 18 erhöht. Dies stellt auch im südwestdeutschen Vergleich eine besonders hohe Fallbelastung in diesem Leistungssegment dar. Ein Erklärungsansatz für diesen Umstand ergibt sich aus der Wahrnehmung eines nicht adäquat ausgestatteten Schulsystems (insbesondere mit Förderlehrkräften) und dessen Überforderung mit Schüler/innen mit herausforderndem Verhalten (nicht zwingend identisch mit seelischer Behinderung). Bei der teils offensiven Akquise der Schulen geht es häufig weniger um Teilhabe als um Sicherstellung eines störungsfreien Unterrichtes.
Verwaltungsspitze und Fachdienstleitung haben deshalb vereinbart, der sich daraus ergebenden Ausweichbewegung auf Ressourcen der Jugendhilfe mit einer fachlich und gesetzlich fundierten Umsteuerung zu begegnen, die sich im Wesentlichen wie folgt zusammen fassen lässt:
2 Säulen der Umsteuerung:
Säule 1: Qualifizierung des Hilfeplanverfahrens (ausführliche Darstellung in der JHA-Sitzung vom 02.05.2016, in Kraft getreten am 05.10.2015)
Säule 2: Entwicklung von Infrastrukturangeboten an ausgewählten Schulstandorten (informatorische Vorstellung in den JHA-Sitzungen vom 02.05. und 11.07.2016)
Entwicklung von Infrastrukturangeboten an ausgewählten Schulstandorten
(Säule 2):
An acht ausgewählten Schulstandorten sollen die Bedarfe für die
bisherigen Einzelintegrationshilfen gem. § 35a SGB VIII durch an der Schule
fest verankerten Betreuungskräfte befriedigt werden und zwar durch:
-
die
Implementierung von festen Teams der
Jugendhilfe (Mix aus Fachkräften und Schulbegleitern) an den einzelnen
Schulstandorten. So sollen fachlich
qualifiziert, Schulen in ihrem Bildungs-, Erziehungs- und Inklusionsauftrag
unterstützt werden, um damit die Teilhabe von Schülern und Schülerinnen im
zentralen Lebensbereich Schule zu gewährleisten.
-
flexiblen,
individuellen und situationsspezifischer Einsatz in der Schule.
-
Mitwirkung
bei der Umsetzung des Förderplanes.
-
Wegfall
der Reibungsverluste zwischen den beiden Systemen, da nicht mehr um Bedarf, Art
und Umfang der Hilfe gestritten werden muss.
-
konsequente
Verfolgung eines inklusiver Ansatz durch Wegfall der positiven Stigmatisierung
in Folge der zeitlich intensiven 1:1 Betreuung und der entfallenden
Notwendigkeit, eine (drohende) seelische Behinderung feststellen zu müssen.
-
Anstoß
einer inklusiven Schulentwicklung in der Art, dass das Kind nicht mehr seine
Individualhilfe mitbringen muss, um im Regelsystem bestehen zu können, sondern
diese Teilhabeunterstützung in der Schule bereits vorhanden ist.
Zusammenarbeit
mit dem Ministerium für Bildung und Kultur:
Im Rahmen der
Projektvorbereitung erfolgte die Kontaktaufnahme zu den im Bildungsministerium
zuständigen Abteilungs- und Referatsleitungen
im April 2015. Nach weiteren Präzisierungen der Projektskizze wurde
diese im September 2015 Bildungsminister Commerçon von Regionalverbandsdirektor
und Fachdienstleitung vorgestellt
und grundsätzlich für gut
befunden worden. Auf Nachfrage nach dem Invest des Bildungsministeriums bzgl.
zusätzlicher Ausstattung der Modellstandorte wurde der Einsatz von jeweils
einem „Bufdi“ (Bundesfreiwilligendienst) pro Schulstandort vom Minister
zugesagt.
Das Ministerium
war durchgehend in die Konzeptentwicklung eingebunden. Im Ergebnis spiegelt
sich das auch in der Tatsache wider, dass der Bildungsminister für jeden
Schulstandort mit Infrastrukturangebot eine gesonderte Begleitvereinbarung unterzeichnen wird.
In dieser
Vereinbarung wird:
- die Einsatzkoordination beschrieben,
- der Beitrag des Ministeriums fixiert
(Finanzierung Bundesfreiwillige, fachliche Begleitung, grundsätzliche
Unterstützung des Modellvorhabens) und
- ein gemeinsames Verständnis von Schule und
der Beitrag aller Akteure zu einer inklusiven Schulentwicklung formuliert.
Schulstandorte:
Die Bestimmung der
acht Schulstandorte erfolgte ebenfalls in Absprache mit Vertretern des
Bildungsministeriums. Maßgebliches Auswahlkriterium war dabei die Höhe der
bisherigen Fallzahlen des Regionalverbandes an diesen Schulen, da nur dort über
die bisherige tatsächliche Ausgabensumme ein kostenneutrales und auskömmliches
Budget für die Infrastrukturangebote generiert werden kann.
Es handelt sich um
folgende Schulen (in Klammern jeweils der für dieses Angebot angefragte Träger):
1. GGTS SB-Dellengarten (JHZ-S)
2. FGTS SB-Ordensgut (JHZ-S)
3. FGTS SB-Folsterhöhe (JHZ-S)
4. GGTS SB-Füllengarten (Lebenshilfe SB)
5. OGTGS SB-Weyersberg (AWO)
6. FGTS SB-Rastpfuhl (MLL)
7. FGTS-Sulzbach, Mellinschule (Lebenshilfe
Sulzbachtal-Fischbachtal)
8. GGemS SB-Bellevue (ASB)
Weitere Angaben
hierzu finden sich in einer tabellarischen Übersicht im Anhang.
Zu jedem
Schulstandort gibt es einen Kooperationsvertrag zwischen dem Regionalverband
(plus LHS an den Standorten, an denen eine gemeinsam finanzierte TSG existiert)
und freiem Träger. Hinzu kommt jeweils eine Begleitvereinbarung (s.o.), die vom
Bildungsminister (auch in seiner Funktion als Dienstherr der an der
Konzeptentwicklung beteiligten Schulleitungen) unterschrieben wird. Verträge
und Vereinbarungen wurden mit dem Rechtsamt und dem Rechnungsprüfungsamt
abgestimmt.
Rechtsgrundlagen:
-
§ 79
SGB VIII (Gesamtverantwortung, Grundausstattung)
-
§ 80
SGB VIII (Jugendhilfeplanung)
-
§ 13
SGB VIII (Jugendsozialarbeit): Ein solches Infrastrukturangebot lässt sich aus
Abs. 1 dieser Vorschrift gesetzlich gründen: „Jungen Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur
Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf
Unterstützung angewiesen sind, sollen im Rahmen der Jugendhilfe
sozialpädagogische Hilfen angeboten werden, die ihre schulische und berufliche
Ausbildung, Eingliederung in die Arbeitswelt und ihre soziale Integration
fördern.
Dabei kann die Hilfe sowohl als individuelle Leistung, als auch in Form
eines Infrastrukturangebotes, das im zentralen Lebensbereich Schule verankert
ist, erbracht werden. Schaut man sich die lange Liste der Projektförderung im
Fachdienst Jugend an, so sieht man, dass bereits jetzt viele Angebote mit der
o.g. gesetzlichen Zielsetzung und dieser Rechtsgrundlage infrastrukturell oder
individuell an Schulen oder deren Umfeld platziert sind (Schulsozialarbeit,
TSG, Berufliche Sonderförderung, Nachmittagsbetreuung, Schulpsychologischer
Dienst, auch wenn dessen Einzelfallhilfen - nicht stringent - im § 27 SGB VIII
verortet sind).
Infrastrukturangebot und
Individualanspruch:
Der individuelle Rechtsanspruch ist durch die Implementierung von
Infrastruktur-angeboten dem Grunde nach natürlich nicht ausgehebelt.
Konzeptionell ist vorgesehen, dass an Schulen mit einem Infrastrukturangebot
die bisher bewilligten Einzelintegrationshilfen beendet werden können, da über
die zusätzliche strukturelle Ausstattung mit Mitteln der Jugendhilfe Teilhabe
sichergestellt werden kann (dann bestünde ohnehin auch kein Anspruch mehr).
Sollte darüber hinaus noch ein Individualbedarf in begründeten Ausnahmefällen
geltend gemacht werden, erfolgt eine
Prüfung gem. Hilfeplanverfahren (Säule 1) unter Einbeziehung der
Infrastrukturressource.
Kostenaspekte und Nachhaltigkeit:
Die bisher überwiegend eingesetzten Integrationskräfte sind in der Regel
prekär beschäftigt. Das Personal für das Infrastrukturangebot erhält reguläre
Arbeitsverhältnisse bei den Trägern. Insofern werden je nach Größe und Struktur
des Schulstandortes zwischen 77,5 und 105% der bisher verausgabten Summe in das
Budget einfließen. In Zahlen bedeutet dies, dass das Ausgabevolumen für die an
diesen Schulstandorten bewilligten schulischen Einzelintegrationshilfen rund
715.000 € beträgt. Die Gesamtbudgetsumme für die 8 Infrastrukturangebote
beläuft sich auf rund 645.000 €. Insofern „refinanzieren“ sich die
Infrastrukturangebote komplett durch die Beendigung der bisherigen
Einzelfallhilfen.
Idealtypisch entwickelt sich das eingesetzte Jugendhilfepersonal zu
einem Teil eines übergreifenden Schulverständnisses, das auf Augenhöhe mit den
anderen Akteuren kooperiert und flexibel aufkommende Bedarfe bearbeitet (siehe
Begleitvereinbarung). Zudem werden die schulischen Integrationshilfen durch den
im Personalmix vorgesehenen Fachkräfteeinsatz qualifiziert. Die Einflechtung
eines solchen Infrastrukturangebotes in eine sich verändernde Schullandschaft
erscheint unter den Gesichtspunkten eines rationellen Mitteleinsatzes der
öffentlichen Hand und einer im Grunde genommen gemeinsamen Aufgabenstellung
ohnehin geboten.
Auswirkungen auf Arbeitsbelastung, Entbürokratisierung:
Vorausgesetzt es gehen alle Infrastrukturangebote zum 01.02.2017 ans
Netz und es können auch alle Einzelintegrationsfälle beendet werden, bedeutet
dies eine Fallverringerung von 22% der Gesamtfallzahl von rund 240 in diesem
Bereich. Die Leistungsfälle verschwinden sozusagen, die Schüler/innen mit ihren
Bedarfen bleiben.
Dadurch entfallen auf Seiten der Jugendhilfe folgende Arbeitsschritte
und Obliegenheiten:
-
Einholung
der ärztlichen Stellungnahmen und auch Wegfall von deren Kosten
-
Kompletter
Wegfall von Hilfeplanverfahren inkl. Sachverhaltsermittlung, Hospitation,
erweiterter kollegialer Beratung und Hilfeplangesprächen auf Seiten des
Sozialen Dienstes
-
Wegfall
der Prüfung der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit und Bescheiderteilung
auf Seiten der Wirtschaftlichen Jugendhilfe
-
auf
Seiten der Schule: Bearbeiten des aufwändigen Formblattes E2, Teilnahme an
Hilfeplangesprächen
-
Wegfall
der bereits erwähnten Reibungsverluste auf beiden Seiten
Dem gegenüber steht ein, wenn auch ungleich geringerer, zusätzlicher
Arbeitsaufwand in der Abteilung Jugendhilfeplanung und Fachcontrolling.
Trägerauswahl und Laufzeit der Modellphase
Üblicher Weise arbeitet der Regionalverband
in diesem Leistungssegment einzelfallbezogen mit den etablierten Trägern der
Rehabilitation zusammen. Ergänzend war zu berücksichtigen, dass an mehreren der
ausgewählten Schulstandorte Therapeutische Schülerinnen- und Schülergruppen
vorhanden sind. Diese gemeinsam mit der Landeshauptstadt finanzierten,
insgesamt neun Angebote haben in Saarbrücken eine lange Tradition, unterliegen
aber auch einer Veränderungsnotwendigkeit aufgrund der sich entwickelnden
Schullandschaft. Die aktuellen TSG-Verträge haben eine Laufzeit bis 31.12.2018,
sodass es sich anbot, die Trägerschaft teilweise dort zu verorten. Dies war an
vier der acht Standorte der Fall:
- Weyersberg (AWO),
- Ordensgut,
Folsterhöhe und Dellengarten (alle JHZ-S)
Die Entscheidung über diese Aufgabenwandlung
wurde mit der Landeshauptstadt als Kostenträger gemeinsam getroffen; gleiches
gilt für die Konzeptentwicklung.
Insofern ergeben sich an den o.g. vier
Standorten andere Laufzeiten für die Infrastrukturangebote, da diese mit den
TSG-Verträgen synchronisiert werden müssen (01.02.2017 bis 31.12.2018). An den
vier anderen Standorten endet - in Anpassung an den Schuljahresrhythmus - die
Laufzeit am 31.07.2019.
Planerische Perspektiven:
Insgesamt wurden mehr als die benannten acht
Schulen angefragt. Bereits jetzt ist absehbar dass an den beiden Dudweiler
Grundschulen zum nächsten Schuljahr zwei weitere Infrastrukturangebote
eingerichtet werden können. Die beiden TSG werden derzeit in der Ausrichtung
ihrer Arbeit den Schulstandorten zugeordnet (SKF für FGTS Albert-Schweitzer und
DW für FGTS Turmschule).
Im 1. Halbjahr 2017 werden bzgl. der drei übrigen TSG-Standorte (Brebach, Wackenberg, Altenkessel) weitere perspektivische Überlegungen folgen.